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Das Wechselmodell und dessen Besonderheiten beim Kindesunterhalt
Das Wechselmodell stellt eine Abkehr vom klassischen Residenzmodell dar, das vorsieht, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei einem der beiden Eltern hat. Der Elternteil, bei dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat, erfüllt damit seinen Unterhalt. Der andere Ehegatte kommt seiner Unterhaltspflicht mit einer Geldrente nach.
Problematisch erscheint in Bezug auf das Wechselmodell, wie dieses auf die Unterhaltspflicht nach den §§ 1601 ff. BGB anzuwenden ist. Die Vorschriften über den Unterhalt gehen nach wie vor von dem klassischen Modell aus, dass ein Elternteil das Kind betreut und damit seiner Unterhaltspflicht nachkommt während der andere Elternteil Unterhalt in Form einer Geldrente aufbringt.
Die Unterhaltspflicht bei geteilter Verantwortung der Eltern ist dagegen im Gesetz nicht geregelt. Wie mit einer solchen Konstellation geteilter Verantwortung zwischen den Eltern unterhaltsrechtlich umzugehen ist, bestimmt sich nach den verschieden Arten des Wechselmodells.
I. Echtes Wechselmodell
Die erste Art stellt das sogenannte echte Wechselmodell dar. Es zeichnet sich dadurch aus, dass eine gleiche bzw. gleichwertige Aufteilung der Betreuungsverhältnisse zwischen den Eltern vorliegt, bei dem sich kein Betreuungsschwerpunkt bei einem der Eltern erkennen lässt. Ob ein echtes Wechselmodell vorliegt, ist eine Frage der einzelfallbezogenen tatrichterlichen Würdigung. Nicht entscheidend ist dabei, ob das Kind sich abwechselnd beim Vater oder der Mutter aufhält oder sich das Kind dauerhaft in einer Wohnung aufhält und sich die Eltern abwechseln. Ob ein echtes Wechselmodell vorliegt ist viel mehr nach bestimmten Komponenten zu bestimmen.
Der zeitlichen Komponente kommt eine starke Indizwirkung zu. So soll eine Verteilung der Betreuung im Verhältnis von 1/3 zu 2/3 nicht für die Annahme eines echten Wechselmodells ausreichen. In der Rechtsprechung wird auch eine Aufteilung von 43 % zu 57 % bzw. 14 Stunden zu 10 Stunden Betreuung am Tag als nicht ausreichend angesehen.
Neben der zeitlichen Komponente werden aber auch qualitative Aspekte zur Beurteilung herangezogen, ob ein Wechselmodell vorliegt oder nicht. Hier können z.B. organisatorische Aufgaben der Kindesbetreuung, wie das Kaufen von Kleidung und Schulutensilien oder wer die Verantwortung von den Eltern im schulischen Bereich übernimmt in Betracht gezogen werden. Weiterhin ist auch die Übernahme der ärztlichen Versorgung des Kindes zu berücksichtigen sowie die aktive Betreuung des Kindes (Fahrten zu Freizeitaktivitäten, Helfen bei Schularbeiten), denen ein höheres Gewicht beigemessen wird als eine passive Verfügbarkeit eines Elternteils, auch wenn diese zeitlich dominierend ist.
Insgesamt gesehen besteht immer noch eine erhebliche Unsicherheit, wann im konkreten Fall ein Wechselmodell vorliegt. Häufig wird in der Praxis dem prozentualen Anteil an der Betreuung übermäßige Bedeutung zugemessen, der aber den qualitativen Aspekt außer Acht lässt.
II. Erweiterter Umgang im Residenzmodell
Als weitere Art ist der erweiterte Umgang im Residenzmodell zu sehen. Diese liegt vor in Fällen, die den strengen Anforderungen des echten Wechselmodells nicht gerecht werden aber deutlich über der typischen Alleinbetreuung des Residenzmodells liegen. Nach der Rechtsprechung ist zumindest bei einem Betreuungsanteil von 1/3 zu 2/3 von einem erweiterten Umgang auszugehen.
III. Kindesunterhalt im echten Wechselmodell
Problematisch erscheint der Kindesunterhalt beim echten Wechselmodell da die Unterhaltsregelungen der §§ 1601 ff. BGB vom klassischen Modell ausgehen. Beim echten Wechselmodell sind beide Eltern barunterhaltspflichtig. Nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB haften beide Eltern anteilig nach ihren jeweiligen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Nach Ansicht des BGH kann dabei in einer Durchführung eines Wechselmodells nicht die konkludente Vereinbarung beider Elternteile gesehen werden, sich gegenseitig von Barunterhaltsansprüchen freizustellen.
Des Weiteren erscheint auch die konkrete Berechnung des Unterhalts beim Wechselmodell fraglich. Diese richtet sich gem. § 1610 BGB nach dem Bedarf des Kindes.
1. Grundbedarf
Der Grundbedarf des minderjährigen Kindes berechnet sich in Fällen des Wechselmodells nach den bereinigten Nettoeinkommen beider Elternteile, wobei die Einkommen beider zusammengerechnet werden. Aufgrund dieser Summe ergibt sich aus der Düsseldorfer Tabelle dann der konkrete Bedarf des Kindes.
2. Mehrbedarf
Zu beachten ist jedoch, dass beim Wechselmodell durch die beidseitige Betreuung in der Regel Mehrkosten dadurch entstehen, dass das Kind nicht nur in einer Wohnung betreut wird und dadurch doppelte Kosten bspw. für Fahrtkosten, Wohnkosten und Kosten für Doppelanschaffungen anfallen. Ob der Grundbedarf der Düsseldorfer Tabelle ausreicht, um den erhöhten Unterhaltsbedarf des Kindes durch die Mehrkosten zu decken oder ob ein Mehrbedarf bspw. für Fahrtkosten zwischen den Wohnungen anzunehmen ist, ist jeweils im konkreten Einzelfall zu beurteilen.
In der Regel erhöhen die durch das Wechselmodell sich ergebenden Mehrkosten den Unterhaltsbedarf allerdings nicht, da entsprechende Mehrkosten bereits dadurch ausgeglichen werden, dass sich der Bedarf des Kindes durch das Zusammenrechnen des Einkommens beider Elternteile bereits aus einer höheren Tabellenstufe der Düsseldorfer Tabelle ergibt.
IV. Unterhalt beim erweiterten Umgang im Residenzmodell
Beim Unterhalt in Bezug auf den erweiterten Umgang im Residenzmodell bleibt es nach dem BGH bei der Regelung des § 1606 Abd. 3 S. 2 BGB, nach dem ein Elternteil seine Unterhaltspflicht bereits durch die Betreuung des Kindes erfüllt, der andere Teil durch Leistung eines Barunterhalts.
Allerdings können zugunsten des Barunterhaltspflichtigen Modifikationen in Form einer Minderung des Barunterhalts bedacht werden, wenn der Barunterhaltspflichtige im Rahmen des erweiterten Umgangs Aufwendungen tätigt, die den Bedarf des Kindes auf andere Weise also durch eine Geldrente decken und den anderen Elternteil entlasten. Dies kann in der Form geschehen, dass der Barunterhaltspflichtige in eine niedrigere Einkommensgruppe in der Düsseldorfer Tabelle eingestuft wird oder von einer Einstufung in eine nächst höhere Einkommensstufe abgesehen wird.
V. Vertretungsmacht und Verfahrensstandschaft beim Wechselmodell
Einen weiteren problematischen Punkt des Wechselmodells stellt die Vertretungsmacht und Verfahrensstandschaft der Elternteile dar. Nach der gesetzlichen Grundregel vertritt der sorgeberechtigte Elternteil das Kind auch bei Unterhaltsstreitigkeiten (§ 1629 Abs. 1 S. 2 BGB). Bei einem gemeinsamen Sorgerecht gilt die Regelung des § 1629 Abs. 2 BGB. Danach ist eine gesetzliche Verfahrensstandschaft desjenigen Elternteils anzunehmen, in dessen Obhut sich das Kind befindet.
In Obhut befindet sich das Kind bei demjenigen Elternteil, der vorrangig für das Kind sorgt und sich um dessen Unterhalt kümmert. Entscheidend für das Vorliegen der Obhut ist damit, bei welchem Elternteil der Betreuungsschwerpunkt liegt.
Beim echten Wechselmodell ist jedoch kein Betreuungsschwerpunkt ersichtlich. Danach besteht weder Vertretungsmacht noch Verfahrensstandschaft eines Elternteils. Zur Lösung dieses Problems gibt es grundsätzlich zwei Wege. So kann ein Ergänzungspfleger nach §§ 1795, 1909 BGB eingeschaltet werden oder es kann eine familiengerichtliche Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil gem. § 1628 BGB erfolgen.
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Eingestellt am 13.10.2016
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