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Welche Auskünfte müssen dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber erteilt werden?

I. Allgemeines

Kommt es zu einem Erbfall und ein Pflichtteilsberechtigter (Ehegatte, Kind, Elternteil) ist durch Testament oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen (enterbt), so kann dieser gem. § 2303 I BGB von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Zahlungsanspruch. Der gesetzliche Erbteil bestimmt sich danach, ob der Erblasser einen Ehegatten und wie viele Abkömmlinge er hinterlässt. Bei einem verheirateten Erblasser hat auch der für seine Ehe geltende Güterstand (in der Regel Zugewinngemeinschaft oder Gütertrennung) Auswirkungen auf die Höhe des Pflichtteils.

Eine Beispielsrechnung mit einem überlebenden Ehegatten und zwei Kindern:

Der Ehegatte erbt 1/4 gem. § 1931 I S.1 BGB. Sollte in der Ehe – wie gesetzlich vorgesehen - die Zugewinngemeinschaft gegolten haben, bekommt der Ehegatte pauschal zum Ausgleich des Zugewinns 1/4 der Erbschaft hinzu. Die zweite Hälfte teilen sich die beiden Kinder und würden somit jeweils 1/4 erben. Der Pflichtteil beträgt folglich als Hälfte des gesetzlichen Erbteiles für die Kinder jeweils 1/8. Dieses 1/8 kann das bspw. durch Testament enterbte Kind von den Erben verlangen.

Nun stellt sich folgende Frage: Wie kann das enterbte Kind Kenntnis vom Umfang und vom Wert des Nachlasses erhalten?

Dem Pflichtteilsberechtigten stehen sowohl ein Auskunfts- als auch ein Wertermittlungsanspruch zu, gem. § 2314 I, S.1, 2 BGB.

Vorsicht: Es ist zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und dem pflichtteilsberechtigten Erben zu unterscheiden. Der Pflichtteilsberechtigte, bspw. ein Kind des Erblassers, ist enterbt worden und folglich kein Erbe. Er hat jedoch einen Zahlungsanspruch gegen den Erben. Der pflichtteilsberechtigte Erbe ist bspw. ein Kind des Erblassers, welches nicht enterbt wurde, und auf Grund des Erbes in alle Rechtspositionen des Erblassers eintritt. Das Erbe umfasst sowohl Vermögenswerte und Rechte als auch Verbindlichkeiten (Schulden). Höchstpersönliche Rechte wie der Nießbrauch können hingegen nicht vererbt werden.

II. Auskunftsanspruch

Im Gegensatz zum Erben besitzt der Pflichtteilsberechtigte keine Möglichkeiten, sich direkt über die Höhe des Nachlasses zu unterrichten. Daher sieht das Gesetz für ihn einen Auskunftsanspruch vor. Die vom Erben zu erteilende Auskunft erstreckt sich auf alle Berechnungsfaktoren und somit auf alle Aktiv- und Passivposten. Die Auskunft ist in der Form eines Bestandsverzeichnisses zu erteilen. Der Erbe hat jede einzelne Position präzise zu bezeichnen (bspw. Bankkonten, Hausrat) und wertbildende Faktoren zu benennen. Wertbildende Faktoren sind bspw. bei einem sich im Nachlass befindlichen PKW das Modell, das Baujahr, der Kilometerstand und der allgemeine Zustand des Fahrzeuges. Bei Schmuck sind das Material, das Gewicht, der Steinbesatz und der Hersteller zu nennen.

Sollte der Erbe bei Vermögenspositionen über kein Wissen verfügen, so hat er sich dieses zu verschaffen. So hat er etwa gegenüber Banken seinen Auskunftsanspruch geltend zu machen. Die erlangten Informationen sind in dem Bestandverzeichnis anzugeben.

Bei Forderungen sind Grund, Höhe und der Schuldner aufzuführen.

Der Auskunftsanspruch bezieht sich nicht auf lebzeitige Kontobewegungen, insoweit diese keine Schenkung darstellen oder das Vermögen exorbitant verringert haben. Verdächtige Vorgänge muss der Erbe angeben. Bzgl. der möglichen Auswirkungen von Schenkungen zu Lebzeiten auf die Erhöhung des Pflichtteils verweisen wir auf unseren Beitrag vom 09.04.2021 „Schenkung oder ehebedingte Zuwendung - Wann erhöht sich der Pflichtteil von „Enterbten“?“.

Sollte beim Pflichtteilsberechtigten der Verdacht aufkommen, das Verzeichnis sei unvollständig oder nicht ausreichend präzise erstellt worden, so kann er von dem Erben eine eidesstattliche Versicherung fordern. Der Verdacht muss jedoch hinreichend begründbar sein. Ein Anspruch auf die Ergänzung der Auskunft besteht, wenn sachliche oder zeitliche Elemente vollkommen außer Acht gelassen wurden oder die Angaben erkennbar unvollständig sind.

Sollten mehrere Erben (Erbengemeinschaft) vorhanden sein, so kann der Pflichtteilsberechtigte wählen, ob er nur einen einzelnen oder sämtliche Miterben wegen der Auskünfte in Anspruch nimmt. Bei der Fälligkeit des Auskunftsanspruches ist nach Ansicht des OLG Saarbrückens „auf die Umstände des konkreten Falles angemessen Rücksicht zu nehmen und eine gewisse Zeitspanne abzuwarten“. Dies sind im Regelfall zwei Monate.

III. Wertermittlungsanspruch

Der Wertermittlungsanspruch steht neben dem Auskunftsanspruch, muss gesondert geltend gemacht werden und verhilft dem Pflichtteilsberechtigten dazu, seinen Anspruch korrekt berechnen zu können. Der Anspruch beinhaltet eine Mitwirkungspflicht des Erben. Diese umfasst insbesondere das Einholen eines Wertgutachtens, bspw. über den Wert einer Immobilie des Erblassers.

Der Gutachter des Wertgutachtens muss nicht öffentlich vereidigt und bestellt sein. Der Nachweis einer hinreichenden Qualifikation ist ausreichend. Kurzgutachten eines Maklers oder einer Bank genügen nicht.

Voraussetzung für das Bestehen eines Wertermittlungsanspruches ist, dass dem Pflichtteilsberechtigten eine Berechnung des Nachlasswertes durch die ihm bisherig zur Verfügung gestellten Informationen nicht möglich ist. Regelmäßig genügen die Informationen nicht bei der Bewertung von Grundstücken oder Unternehmensanteilen. Der Pflichtteilsberechtigte kann für die Bewertung eines Unternehmens die Vorlage von Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Geschäftsbüchern und Belegen der letzten fünf Jahre fordern. Es muss ihm ermöglicht werden, die Bewertung selbstständig vorzunehmen oder das Gutachten überprüfen zu können.

Die Kosten des Gutachtens fallen dem Nachlass zur Last und reduzieren somit den Zahlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigte um die Höhe seiner Pflichtteilsquote.

IV. Notarielles Nachlassverzeichnis

Besteht ein Auskunftsanspruch, so kann der Pflichtteilsberechtigte gem. § 2314 I S. 2 BGB verlangen, dass das Nachlassverzeichnis anstelle von Seiten des Erben von einem Notar erstellt wird.

Der Vorteil des notariellen Nachlassverzeichnisses liegt aus Sicht der Rechtsprechung in der höheren Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit. Dies ist zum einen in der Mitwirkungspflicht des Erben und zum anderen insbesondere in der Nachforschungspflicht des Notars begründet.
Der Notar darf sich für die Erstellung nicht einzig auf die Aussagen des Erben verlassen. Vielmehr muss der Notar eigene Ermittlungen durchführen (Nachforschungspflicht). Wie sich die Ermittlungsarbeit gestaltet , ist einzelfallabhängig. Aus Sicht der Rechtsprechung ist der Notar zu den Nachforschungen verpflichtet, welche ein objektiver Dritter in der Lage des Pflichtteilsberechtigten für erforderlich halten würde. Folgende Tätigkeiten können bspw. Teil der Ermittlungen sein: Begutachtung von Kontoauszügen, Firmenanteilen, Forderungen, Lebensversicherungen, Unterhaltsforderungen, Schenkungen der letzten 10 Jahre, Immobilien und Hausrat. Eine Begutachtung des Hausrates bedarf in der Regel auch eines Hausbesuches des Notars, damit sich dieser einen Eindruck vom Hausrat des Erblassers verschaffen kann. Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Anspruch darauf, bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses anwesend zu sein, jedoch nicht daran mitzuwirken oder auf eigenen Antrieb hin Nachforschungen anzustellen.

Ordnungsgemäß abgeschlossen werden die Ermittlungen durch eine von dem Notar ausgestellte Urkunde, aus welcher die genauen Ermittlungsschritte hervorgehen.

Der Nachteil eines notariellen Nachlassverzeichnisses besteht darin, dass es im Vergleich zu einem privaten Nachlassverzeichnis kostspieliger ist. Die Kosten für den Notar werden vom Bestand des Nachlasses abgezogen. Folglich reduziert sich der Zahlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten um die Höhe seiner Pflichtteilsquote.

Gerne beraten oder vertreten wir Sie zu diesem erbrechtlichen Thema. Rufen Sie uns hierzu bitte an (Tel 089/23 66 33 0) oder nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Unsere Kanzlei für Familienrecht, Erbrecht und Mediation liegt in München und ist über den Sendlinger Tor Platz sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Gerne unterstützen wir Sie bei erbrechtlichen Fragestellungen.


Dr. Birgit Hartman-Hilter
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht
Fachanwältin für Erbrecht







Eingestellt am 21.04.2025
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